Das Thema Preismanagement halte ich gleich nach der Mitarbeiterführung für das wichtigste Thema im Management eines Unternehmens überhaupt. Hier fließen die wesentlichen Aspekte aus Unternehmensphilosophie, Qualität, Markt- und Kundenmanagement, Strategieentwicklung, Vertrieb, Organisation und HR-Politik zusammen.
Der Preis eines Gutes ist der wichtigste Gewinnhebel im Unternehmen. Die jahrzehntelange klassische Schulung der Preisbildung nach den drei Ks hat sich dabei als unhaltbar erwiesen.
Die vermeintlich pragmatische Kostenorientierung weist diverse Probleme auf. Oft werden Kostenkomponenten wie zum Beispiel aus der Logistik, Verpackung oder dem Marketing schlichtweg vergessen. Dann hängen die Kosten rechnerisch vom Absatz ab und der wiederum vom Preis. Zudem lassen sich in Industrien mit hohen Fixkosten und sehr geringen variablen Kosten die Kosten schlecht zuordnen. Und weiterhin werden Wertkomponenten, die außerhalb einer Kalkulation liegen, oftmals überhaupt nicht beachtet, was zu niedrigeren Preisen und somit geringeren Gewinnen führt.
Fazit: Benötigt wird also ein Konzept, in dem die Preisstrategie zur Kostenstruktur der Produkte und Dienstleistungen passt.
Die Kundenorientierung ruft ebenfalls Nachteile hervor: Im B2B-Geschäft kommt es häufig zu Preisdiktaten. Ich nannte das in meinen Vorlesungen seinerzeit "Lopezierung der Wirtschaft". Lieferanten lassen sich oft genug auf solche Spielchen ein.
Im B2C-Geschäft hingegen werden oft wertvolle Produkte oder Dienstleistungen kostenlos abgegeben. Kunden haben oft überhaupt keine Vorstellung von einem Preis - oder die falsche. Ich selbst habe einmal in einem Marktforschungsprojekt bei der Preisschätzung für Trüffel komplett daneben gelegen. Und in den meisten Fällen müssen Kunden sachgerecht über den Wert eines Produktes informiert werden. Geschieht das nicht, macht das günstigste Angebot das Rennen.
Fazit: Die Marketingforschung muss herausfinden, zu welchem Preis sich die Kunden vom Wert eines Produktes überzeugen lassen. Daraus lassen sich dann Ideen für eine Segmentierung des Marktes herleiten.
Eine Orientierung an den Preisen der Konkurrenz lässt die eigene Strategie vermissen. Natürlich spart man sich auf diese Weise Marktforschungskosten, doch allein der erforderliche Anpassungsprozess an die Größe und Marktmacht der Wettbewerber kann recht aufwändig ausfallen. Kleinere Unternehmen folgen dann allzu oft dem Marktführer, ohne dessen Leistungspektrum bieten zu können.
Fazit: Etwas "Eigenes" ist in jedem Fall die bessere Option. Der beste Schutz von Preiskriegen ist zudem das eigene Marktsegment.
Natürlich müssen alle drei kritisierten Komponenten irgendwie in die Preisbildung einfließen. Die Lösung kommt von Catherine Tucker aus der MIT Sloan School und heißt VALUE PRICING. Die Vorgehensweise bei den vier Cs sieht wie folgt aus:
- Create Value - Zunächst ist der vom Kunden gewünschte Wert zu schaffen. Menschen wollen in der Regel nichts kaufen, was sie gar nicht benötigen. Die Firma ebuero AG beispielsweise hat Holger Johnson gegründet, weil er für seinen Kleinstbetrieb einst ein Sekretariat suchte und aus den verschiedensten Gründen nicht fand. Er stellte ein stark reduziertes Leistungsspektrum von Sekretariatsarbeiten zusammen, das regelmäßig von Solopreneuren und Kleinstbetrieben benötigt wird und konnte so die klassischen Sekretariatspreise deutlich verringern.
- Calibrate Value - Dieser Wert muss anschließend auf die ausgewählte Zielgruppe ausgerichtet werden. Angebot und Nachfrage müssen stimmen. Kunden bewegen sich in Märkten, wenn sie sich für ein Angebot interessieren, sie das Angebot bezahlen können und sie auch den Zugang zu dem betreffenden Markt haben. Dies müssen Unternehmer*innen sorgsam ermitteln und ihr Angebot auf diese konkreten Zielgruppen fokussieren.
- Communicate Value - Der Wert muss nachhaltig und auch glaubhaft kommuniziert werden. Falsche Werbeversprechen haben noch nie lange gehalten. Das beginnt mit der richtigen Tonlage für die angestrebte Zielgruppe und die Darstellung des Nutzens (nicht der Produktmerkmale!), den die Kunden bei der Annahme des Angebotes erzielen. Es leuchtet unmittelbar ein, dass unterschiedliche Kundengruppen mit verschiedenen Bedürfnissen auch unterschiedlich angesprochen werden wollen. Wird der Wert nicht akzeptiert oder verstanden, greifen die Kunden wieder zum (manchmal vermeintlich) günstigeren Angebot.
- Capture Value - Last but not least muss auch sichergestellt sein, dass der Wert nachhaltig geliefert werden kann und langfristig zur Verfügung steht. Das Angebot sollte natürlich keine Eintagsfliege sein, sondern langfristig angelegt sein. Dazu gehören langfristiger Zugriff auf Ressourcen, Kontinuität in der Kommunikation und, ganz besonders wichtig bei schnell wachsenden Unternehmen, eine agile Organisationsform, die genau dieses schnelle Wachstum unterstützt. Wer einmal eine Innovation hervorgebracht hat, muss dafür sorgen, dass regelmäßig weitere Innovationen folgen.
Das hört sich nach Arbeit an? Das ist sehr viel Arbeit! Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!